Thomas Büchli in Burma

Interview mit Thomas Büchli von «Pema of Tibet» zum Herstellungsland Nepal

«Von Bergvolk zu Bergvolk. Es gibt wirklich viele Gemeinsamkeiten zwischen unserer beiden Ländern»

In diesem Interview erzählt uns Thomas Büchli (im Bild oben auf einer Reise) von seinem Bezug zu Nepal und von der Beziehung zwischen der Schweiz und dem Herstellungsland von Pema of Tibet. Gleichzeitig berichtet er, von der atemberaubenden Landschaft und den Schwierigkeiten, die diese und der Ressourcenmangel mit sich bringt.

Wie kam es dazu, dass Sie mit Nepal arbeiten? Gibt es dazu evtl. eine Anekdote?

Meine Liebe zu Tibet und Nepal entdeckte ich schon mit 14 Jahren, als ich meine zukünftige Frau Yangchen kennenlernte. Nachdem ihre Heimat Tibet von China besetzt wurde, siedelten zehntausende Tibeter in Nepal und Nordindien an – so  auch Yangchens tibetische Eltern. Mit neun Jahren kam sie jedoch als Pflegekind zu einer Schweizer Familie in Brugg wo wir uns nach wenigen Jahren kennenlernten.
 
Ende der Siebziger Jahre reisten wir zusammen zu Yangchens tibetischer Familie nach Indien. Aus dieser langen Reise wuchs der Wunsch, ihren wieder entdeckten Wurzeln auch im Alltag zu pflegen – seither importieren wir tibetisches und nepalesisches Kunsthandwerk aus Nepal und Indien mit unserer Firma PEMA OF TIBET AG in die Schweiz.
 

Es gibt viele Schweizer Projekte in Nepal. Haben Sie dazu eine Erklärung? Gibt es Gemeinsamkeiten zwischen den beiden Ländern? Warum finden Schweizer Nepal besonders attraktiv? 

Ich denke, dass dazu ein passender Satz viel abdeckt: Von Bergvolk zu Bergvolk. Es gibt wirklich viele Gemeinsamkeiten zwischen unseren beiden Ländern. Blickt man bei guter Sicht vom Flachland Richtung Schneegipfel, so kann man auf den ersten Blick nicht entscheiden, ob man eine schweizerische oder nepalesische Aussicht geniesst. Allerdings sind da die enormen Höhenunterschiede in Nepal natürlich beeindruckend: von wenigen Metern bis auf über 8000 m über Meer! In
der Schweiz sind wir da bei der Hälfte…
 
In diesem Zusammenhang sind dann die Flusstäler, Pässe und in gewissen Höhen die Vegetation beider Länder natürlich beeindruckend verwandt. Wenn man z.B. auf der „Schweizer Strasse“ Richtung Jiri (Gateway to Everest) in Nord-Ost-Nepal unterwegs ist und durch Lärchenwälder fährt, so fühlt man sich fast wie im Engadin oder Wallis.
 
Natürlich sind dann da die Menschen: In einer gewissen Unaufgeregtheit treffen sich die nepalische und schweizerische Mentalität in vielerlei Hinsicht. Viele Beziehungen sind natürlich durch die schon sehr frühe Entwicklungszusammenarbeit (Hängebrückenbau, Käsereien, Milchkuh-Projekte, Handwerkstätten) entstanden und dann besonders auch durch die Arbeit von Schweizer/-innen für die tibetischen Flüchtlinge in Nepal.
 
Und schlussendlich animieren die 7- und 8000er Gipfel Heerscharen von Gipfelstürmern aus der Schweiz zu Besteigungen. Da dazu immer auch einheimische Führer und Träger notwendig sind, führen solche Touren oft zu Beziehungen zu den Menschen in den Heimatdörfern dieser Tour-Equippen. Manche Projekte haben solche oder ähnliche Hintergründe.
 
Daraus ergeben sich auch ab und zu Möglichkeiten, dass nepalische Träume für einen Besuch oder gar eine Übersiedlung in die Schweiz wahr werden – Liebesgeschichten inklusive;-).
 

Was bewirken Ihre Projekte in Nepal? Was sind die aktuellen Herausforderungen in Nepal? Welche SDGs sind dabei besonders wichtig?

 Nepal ist eines der ärmsten Länder der Welt. Es wurde während eines Jahrzehntes von einem Guerillakrieg gelähmt. Das führte zur Abschaffung der Monarchie. Heute sind die ehemaligen Kriegsparteien als politischen Parteien in den demokratischen Struktur integriert. In einer oft chaotischen Alltagsumgebung versuchen die kleinen, familiär organisierten Werkstätten die Ansprüche ihrer westlichen Geschäftspartner optimal zu erfüllen. Dies ist bei den täglichen Herausforderungen in diesem vielfältigen Land eine bewundernswerte Leistung. Die unsichere Energieversorgung mit mehrstündigen Stromunterbrüchen, eine immer wieder unterbrochene Versorgungslage mit Rohmaterialien und Artikeln des täglichen Gebrauchs wahrlich schon eine Kunst für sich. Wenn dann noch die Natur ihre dominierende Kraft zeigt als Erdbeben oder dramtische Überschwemmungen mit Erdrutschen, kann man sich kaum vorstellen, wie die Bevölkerung Nepals die Covid-19 – Pandemie meistern soll.
 

Was schätzen Sie an der Kultur von Nepal? Gibt es interessante Geschichten, Links, die Sie unseren Leser*innen empfehlen und die wir hier vorstellen können?  Gibt es ein Produkt, das besonders gut die Kultur darstellt?

Wir bieten z.B. filigranen Silberschmuck an, der nur noch in bestimmten Tälern hergestellt wird. Ohrringe mit feinsäuberlich eingelegten Filigranarbeiten etwa aus dem Kathmandu-Valley. Oder aber geschnitzte Ohrringe, mit den acht buddhistischen Glückssymbolen, die in ursprünglicher Qualität nur noch von Kathmandus buddhistischer Urbevölkerung, den Newar, hergestellt wird.
 
Nebst dem Schmuck sind die Klangschalen ein wichtiges Produkt. Es gibt zwei Linien: gebrauchte Schalen aus Nord-und Nord-Ost-Indien und neu hergestellte aus Nepal. Die meisten ursprünglichen „Klang-„schalen dienten eigentlich als Koch- und Essgeschirr. Sie werden erst im Westen zu mystischen Klangobjekten, in die viel hineininterpretiert werden kann… Trotzdem: Klangschalen-Töne verzaubern und die Vielfalt in den Tonfarben einer einzigen Schale faszinieren!

Was kann die Schweiz, was können die Schweizer*innen von Nepal lernen?

 Geduld, Langmut, Genügsamkeit und Zufriedenheit mit vorhandenen Möglichkeiten und Ressourcen. Eine gewisse Unperfektheit – Hauptsache, es funktioniert … Das Zusammenleben verschiedener Ethnien, Religionen, Kulturen.

Wo steht Nepal in Sachen Nachhaltigkeit? Gibt es eventuell Projekte, Traditionen, Lebensweisen, die besonders nachhaltig und interessant sind?

Nachhaltig leben sicher noch viele Menschen in den abgelegenen Dörfern Nepals. Genügsamkeit in den Ansprüchen führt dazu, dass viele Menschen sich aus den angebauten Produkten ihrer landwirtschaftlichen Betriebe ernähren können. Fallen jedoch Ernten infolge Naturkatastrophen aus, sind wenig Reserven vorhanden. Darum senden viele Familien auch aus abgelegenen Gebieten ihre Jungen in Länder des Nahen Ostens, nach Indien, in die Philippinen, um da Lohnarbeit zu machen und so „Cash“ in die Dörfer zu senden. Es ist umstritten. ob das nachhaltiges Managen der menschlichen Ressourcen ist oder ob in den Zielländern einfach die Arbeitskräfte brutal ausgebeutet werden. Tatsache ist, dass die Fremdwährungs-Überweisungen für hundertausesende nepalischer Familien es diesen ermöglichen, sich aus den Händen traditioneller Geldverleiher zu befreien!
 
Ich möchte auf zwei unserer eigenen nachhaltigen Projekte hinweisen, die auf der Webseite beleuchtet ist: vision-himalaya.ch und das Biogas-Projekt des Videos, das Sie schon verlinkt haben.

Einige Produkte von Pema of Tibet

Markt Bhaktapur

Photo: Judith Meyer

Durbar Square KTM

Photo: Judith Meyer