Interview mit Suzanna Vock, Kuratorin der Woche

 

Unsere «Kuratorinnen und Kuratoren» sind Persönlichkeiten, die wir besonders interessant finden und die sich für Nachhaltiges Wirtschaften engagieren. Wir diskutieren mit ihnen über ihre Projekte, ihre Ansätze und Ideen, wie sich Faircustomer als Marktplatz weiter entwickeln kann. Die Kuratoren-Gespräche sollen Menschen mit ähnlichen Werten aus unterschiedlichsten Richtungen/Bereichen verbinden. Auf diese Weise wollen wir unseren Leserinnen und Lesern ein lebendiges, umfassenderes Bild für nachhaltige Entwicklung, Design und Wirtschaft vermitteln.

Wie kam es dazu, dass Du dich für Nachhaltigkeit engagierst?

„Einst war es mein Traum, ein Modedesign-Star zu werden…es sollte nicht sein… meine Bestimmung war es, eine Sternenmacherin zu werden… und da ich eine Mutter bin, möchte ich, dass auch meine Kinder eine gute Zukunft haben… jetzt sehe ich es als meine Mission, Sterne zu machen, die nicht nur hell, sondern auch fair und grün leuchten… gemeinsam können wir den Weg in diese nachhaltige Zukunft gehen… diese Sterne werden… um unserer selbst willen und um unserer Kinder, Enkel und Urenkel willen…“, sagt Suzanna Vock – Gründerin Gwand Sustainable Festival.

Gibt es ein Schlüsselerlebnis? Wie wird man Festivalsleiterin?

Ja, das gibt es. Schon sehr früh, mit 16 Jahren habe ich entschieden nicht Auto zu fahren, bzw. keine Autoprüfung zu absolvieren, der Umwelt zuliebe. Im Alter von 15, 16 Jahren war ich sehr rebellisch und frech. Ich habe vom Fahrrad aus einem Autofahrer am Rotlicht zugerufen, er solle den Motor abstellen. Zudem war ich schon immer ein Naturkind, ich war während meiner ganzen Kindheit oft im Wald, in der Natur und in den Bergen und mich begeistert heute noch das Wunder der Natur. 1986 gab es bereits einige Bewegungen, die sich für die Umwelt engagierten, unter anderen WWF und „Jute statt Plastik“ das muss mich zusätzlich inspiriert haben.

Festivalleiterin wurde ich, da ich eine Plattform für mich und für andere Modedesigner initiierte, um unsere Kollektionen und Designs in Shows und Ausstellungen einem breiten Publikum zu präsentieren. So wurde ich bei der Durchführung der ersten Gwand 1993 zur Festivalleiterin und kreativ Direktorin, quasi über Nacht.

Wie muss man sich Deinen Arbeitsalltag vorstellen? Wie hat sich deine Arbeit in den letzten 10 Jahren verändert?

Meine Arbeit hat sich in den letzten 10 Jahren stark verändert. Ich habe mich im Jahr 2009 entschieden, dass ich nur noch in der Modebranche arbeiten werde, wenn ich die Möglichkeit habe, nachhaltige Visionen umzusetzen, sowie Projekte, Designer und Produkte präsentieren, unterstützen und fördern möchte, die sich in der Produktion und im Vertrieb an die SDGs halten. Ich stelle auch die aktuellen Geschäftsmodelle, welche nur auf Profit und Wachstum um jeden Preis ausgerichtet sind, infrage. Die weltweite, ungerechte Verteilung der Wertschöpfung ist ein Punkt, der mich antreibt. Meine Projekte möchte ich auf die Förderung von nachhaltiger Entwicklung in allen Lebensbereichen ausrichten und so ein Bewusstsein in der breiten Bevölkerung für nachhaltigen Konsum schaffen.

Nachhaltigkeit muss sexy werden und der Standard sein. Schön wäre doch, wenn wir Konsumentinnen nicht mehr Detektivin spielen müssten, um nachhaltige Produkte zu finden, sondern dass dies eben der Standard ist und alles, was nicht nachhaltig ist, angeschrieben wird.

Suzanna Vock / GWAND

Deshalb sind nachhaltige Plattformen, wie auch Faircustomer eine ist, heute wichtig und richtig, um das Bewusstsein der Gesellschaft für faire und nachhaltige Design-, Investitions-, Konsum- und Verbrauchsgüter zu schärfen, die dazu eine wirkliche Auswahl bieten und Wert auf Transparenz legen.

Mein Alltag besteht im Moment daraus mit Partnerorganisationen und zukünftigen Partnern zu Netzwerken. Produkt- und Innovationsrecherche betreibe. Dazu bin ich momentan stark mit Sponsoring beschäftigt, um die Finanzierung für die zukünftigen Gwand Projekte zu sichern (dazu bald mehr).

Gibt es Lieblingsinitiativen die du unseren Leserinnen und Leser ans Herz legen möchtest? 

Ich möchte keine konkrete Initiative nennen, denn es gibt so viele… Aber ein kleiner/grosser Tipp: Schauen Sie genau hin, hinterfragen und informieren Sie sich, denken Sie auch darüber nach, Ihr Geld nachhaltig anzulegen und sprechen Sie in Ihrem Freundeskreis über Ihren Entschluss. Es gibt bereits viele grossartige Initiativen, Erfindungen und Produkte die viel verändern können. Bei den grossen geht es leider oft ums Geld und es wird Greenwashing betrieben und deshalb braucht es Aufklärung, dass die Menschen verstehen, dass es sich langfristig mehr lohnt, in zirkuläre und nachhaltige Ideen, Produkte etc. zu investieren. Lieber früher als zu spät umdenken.

Nachhaltigkeit hat viele Facetten. Bei Faircustomer arbeiten wir mit den SDGs der UNO und vereinfacht mit den Werten fair sozial bio eco. Was ist Dir besonders wichtig? 

Ich stimme diesen Werten absolut zu, vor allem finde ich gut, dass „fair“ an erster Stelle steht. Wichtig sind jedoch all diese Werte. Auch deshalb sind der Wissenstransfer und die Förderung von Innovationen für einen dringend benötigten nachhaltigen Wandel in unserer Gesellschaft und Wirtschaft so wichtig. So können auch die Wertschöpfungsketten ressourcenschonender, effizienter und zirkulärer werden. Gleichzeitig spielt Transparenz eine grosse Rolle für mich. Umso transparenter ein Produkt daher kommt, um so mehr Vertrauen kann man schaffen. Die Menschen in der Produktionskette müssen fair entlohnt werden, sowie im Bereich Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz sollte weltweit ein gewisser Standard gesetzt werden, wie das die Suva bei uns macht. Die Ausbeutung von Arbeitskräften muss aufhören, mit gesetzlichen Rahmenbedingungen könnte man hier sicher viel erreichen. Auch von der Schweiz aus, sofern alle Parteien an einem Strick ziehen. Auch Bildung in diesem Bereich ist mir ein Anliegen, deshalb freue ich mich umso mehr, auf die Kooperation mit Faircustomer, und viele Workshops im Bereich Nachhaltigkeit und Kleidung, an Schulen und Unternehmen durchzuführen.

Wie hast Du die Bedeutung von Nachhaltigkeit im Unternehmen, im Markt erlebt? 

Ich finde, es wird sehr viel Greenwashing betrieben. Es gibt fast keine grossen Unternehmen in der Textilbranche, die ausschliesslich nachhaltig und zirkulär produzieren. Sie bieten vielleicht einen Teil des Sortiments, eine Linie, nachhaltig an. Aber das meiste wird nach wie vor, wie bis anhin produziert – billig und schnell. Diese Firmen sind auf dem Werbemarkt die Präsentesten, da sie sich das leisten können. So kommt beispielsweise in der Google Suche, wenn man «Sustainability» eingibt, an erster Stelle Glencore. Vielleicht müsste man sich mit einem Repräsentanten, einmal in einem Panel an der Gwand über «Wie nachhaltig ist Glencore wirklich?» unterhalten, das könnte spannend werden. Zertifizierungen sind auch sehr wichtig, wenn sie wirklich seriös sind. Leider gibt es aber viele, die nicht einhalten, was sie versprechen.

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Wie gehst Du mit dieser Dringlichkeit der Klimakrise um?

Das beschäftigt mich sehr, aber ich kann nur über meine Empfindungen sprechen und nicht über die wissenschaftlichen Erkenntnisse in Bezug auf den Klimawandel.

Wie schon gesagt, werden wir, wenn wir vor allem die Geschäftsmodelle nicht verändern, zum Umdenken gezwungen werden – und die aktuelle Krise hat doch gezeigt, dass wir das alle nicht wollen. In meinen Augen könnten wir schon viel weiter sein, wenn der politische Wille da wäre, die richtigen progressiven Lenkungsmassnahmen zu treffen. Denn ich bin überzeugt, dass ohne einen gesetzlichen Rahmen (keine Verbote, sondern Anreize) der Grossteil der Unternehmen keine Wandel einleiten wird. Die Idee des Businessmodells, möglichst wenig zu bezahlen, um möglichst viel einzunehmen, passt in meinen Augen nicht mehr in die heutige Zeit.

Es braucht mehr Wertschöpfung für alle und weniger Ausbeutung.

Suzanna Vock / GWAND

 

Dazu kommt, dass die Welt heute via sozialen Medien viel vernetzter und überschaubar geworden ist. Ungerechtigkeiten kommen so auch schneller ans Licht. Ob man es schaffen wird, diese Modelle in dieser kurzen Zeit zu verändern, weiss ich nicht. Aber sicher müssten all die tollen Innovationen, welche bereist entwickelt sind, so schnell wie möglich finanzkräftig unterstützt werden und einen flächendeckenden Markteintritt haben, auch wenn die Rendite anfänglich nicht so hoch ist. Aber scheinbar wird nach wie vor lieber dort investiert, wo ein grosser Gewinn zu erwirtschaften ist und es nicht darum geht unsere Lebensgrundlagen zu erhalten und so allen ein anständiges Leben zu ermöglichen. Auch für die Arbeitskräfte, die in Bangladesch unserer Kleider produzieren oder den Plantagenarbeiterinnen in Kolumbien, die den Kakao pflücken, für unsere heisse Schoki. Vielleicht wird sich etwas ändern, wenn sich das Währungssystem verändert, zum Beispiel mit Kryptowährungen – wir werden es sehen. Ich wünschte mir, dass wir jetzt handeln und nicht erst, wenn es nicht mehr anders geht und wir dazu gezwungen werden, das würde nicht gut kommen.

Was sind Deine Wünsche an Faircustomer? Was gefällt Dir? Was fehlt noch?

Es könnte noch mehr tolle nachhaltige Modelabels vertragen…  aber sonst weiter so. Well done!

Als Favoriten habe die Labels von Schreif und Elephbo gewählt. Sie haben das Upcycling-Konzept, das Freitag begonnen hatte, weiter entwickelt und kommunizieren sehr transparent und glaubwürdig über die Produktion.

 

[Suzanna Vock hat uns viele neue Labels vorgeschlagen, so dass aus dem Gespräch eine kontinuierlich Zusammenarbeit geschmiedet wurde.  GWAND und Faircustomer werden online zusammen spannen und offline regelmässig Labels im Faircustomer Showroom und unseren Partnerläden vorstellen. Mehr zum Projekt „Gwand on-tour“ das am 2. September in Luzern beginnt, weiter unten. ]

Wir beginnen hier mit zwei Kunstdesign-Labels von Frauen:

Made by Women ist ein Verein, der sich zum Ziel gesetzt hat, den Lebensunterhalt von intern vertriebenen Frauen in Konfliktgebieten zu verbessern, indem er sie darin schult, wie sie Schmuck und Kunsthandwerk herstellen und online verkaufen können. Rania Kinge ist leidenschaftlich bemüht, mehr Arbeitsplätze für diese Frauen zu schaffen.
Wir sind ein Team von leidenschaftlichen Menschen, deren Ziel es ist, das Leben aller durch disruptive Produkte zu verbessern. Wir kümmern uns um Frauen, wir kümmern uns um die Menschlichkeit. --> www.raniakinge.com/.

 

Rainbow earings

« Am Label – I love Syria – von Rania Kinge  finde ich spannend ….  »

… und dem Luzerner Label „Marmeli“, das schmucke Espadrillos – nicht nur für den Sommer lokal herstellt. 
Die Initiantin von Marmeli, Barbara Gonzenbach, betreibt ein kleines Atelier mitten in Luzern und will mit ihren Produkten „das Leben etwas bunter machen“.
Zu ihrem neusten Projekt schreibt sie:

„Ein Ziel im Leben sollte  es sein sich weiterzuentwickeln.
Schöne Produkte gibt es viele. Es macht mir auch grossen Spass sie zu entwerfen, doch noch mehr erfüllt mich der Gedanke jemanden in Not weiterzuhelfen. Sei es auch nur mit kleinen Schritten.

Daher hat die  ich ein Projekt ins Leben gerufen.
Mein Herzprojekt – ich versuche Asylbewerbern einen gewissen Halt und Struktur in ihrem Alltag wiederzugeben, indem Sie für marmeli nähen.

Ich betrachte Design unter einem neuen Blickwinkel, ich verbinde Mode mit Integration.

Das ist mein neues Herzprojekt und ich freue mich, wenn Sie auch Teil daran haben. Kaufen Sie ein Paar handgemachte Espadrilles unterstützen Sie direkt einen Flüchtling. “

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Nachhaltigkeit muss sexy werden und der Standard sein. Schön wäre doch, wenn wir Konsumentinnen nicht mehr Detektivin spielen müssten, um nachhaltige Produkte zu finden, sondern dass dies eben der Standard ist und alles, was nicht nachhaltig ist, angeschrieben wird.

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Wie können wir die Werte “fair sozial bio eco” besser sichtbar machen? Was braucht es Deiner Meinung für eine gelungene Story, bzw. damit wir mehr Menschen erreichen können? 

Die Storys hinter den nachhaltigen Labels und Produkten (warum, wie, wo sie nachhaltig sind), sind schon sehr interessant und sollten noch mehr hervorgehoben werden. Die meisten Geschichten von nachhaltigen Unternehmen oder Produkten berühren! Deshalb sollten diese Geschichten auch die Vermarktung beeinflussen, sodass eine emotionale Beziehung zum Produkt entsteht.

Was braucht es Deiner Meinung, damit wir nachhaltige Startups (besser) unterstützen können?

Stiftungen oder Partner, die in Coaching und finanzielle Investments von Start-ups investieren, da ein Start-up meistens beschränkte finanzielle Möglichkeiten hat (zum Beispiel für Werbung), aber oft in diesem Stadium auch am innovativsten ist. Im Bereich Start-up Förderung steckt die Schweiz noch in den Kinderschuhen, wenn man uns mit Amerika vergleicht.

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